„Brustkrebspatientinnen wird geraten, auf Milch und Milchprodukte zu verzichten, da diese Progesteron, Östrogen und Wachstumhormone enthalten, die den Brustkrebs stützen oder fördern können. Wie sehen Sie diese Empfehlung im Zusammenhang mit der ketogenen Ernährung? Kann ich bedenkenlos Milch- und Milchprodukte essen oder sollte ich darauf lieber verzichten?“
In der Tat sind derartige Warnungen vor Milch und Milchprodukten weit verbreitet. Vereinzelt werden sie auch in wissenschaftlichen Publikationen geäußert, beispielsweise [1]. Eine jüngst erschienene Studie zum Rückfallrisiko und zur Sterblichkeit von Brustkrebspatientinnen scheint diese Warnungen zu untermauern [2]. Ein hoher Konsum von Milchprodukten war mit einer leicht erhöhten Gesamtsterblichkeit* korreliert, allerdings kam es nicht signifikant öfter zu Rückfällen. Zudem fand sich die Korrelation nur bei vollfetten und nicht bei fettreduzierten Produkten. Die Autorinnen sehen das als Argument für ihre These, dass Östrogene verantwortlich für den beobachteten Effekt sind, da diese Hormone sich besser in Fett lösen und daher in höherer Konzentration im Fett vorhanden sind.
Diese Interpretation steht allerdings im Widerspruch zur allgemein akzeptierten Auffassung, dass die aktiven fettlöslichen Östrogene (Estradiol) sehr schnell abgebaut werden und gar nicht effektive Konzentrationen im Blut erreichen. Stattdessen gelten wasserlösliche Vorstufen (Estrone, speziell Estronsulfat) als problematisch [3], in dieser Arbeit wurde im Tierversuch ein tumorfördernder Effekt von fettarmer Milch gezeigt.
Sind derartige Experimente aber relevant für den Menschen? Messungen sowohl von Estradiol als auch Estronen in der Milch (auch von trächtigen Kühen) haben gezeigt, dass die enthaltenen Hormonmengen im Vergleich zu den normalen physiologischen Konzentrationen verschwindend gering sind [4, 5]. Nach den Definitionen der FAO/WHO müsste man täglich mehr als 215000 Liter (!) Milch trinken, um einen „feststellbaren Effekt“ von Estradiol beobachten zu können [4].
Auch epidemiologische Untersuchungen sprechen gegen ein konkretes Risiko von Milch und Milchprodukten in Bezug auf Brustkrebs. Die „Susan G. Komen“ – Stiftung hat die Ergebnisse etlicher Studien übersichtlich in einer Tabelle zusammengefasst. Insgesamt lässt sich eher ein Trend vermuten, dass Milch und Milchprodukte vor Brustkrebs schützen. Allerdings gibt es auch einzelne Beobachtungen von negativen Effekten.
Möglicherweise hat diese Diskrepanz aber auch mehr mit der Art der Milchproduktion und der Verarbeitung zu tun. Wie im Buch diskutiert, unterscheiden sich tierische Produkte stark in ihren Inhaltsstoffen in Abhängigkeit von Haltung und Fütterung. So führt eine Mast mit Mais zu ganz anderen Bestandteilen im Fett als eine artgerechte Ernährung auf der Weide und mit Heu. Wir sind daher aufgrund der wissenschaftlichen Datenlage der Überzeugung, dass Milch und Milchprodukte aus artgerechter und traditioneller Produktion eher positive als negative gesundheitliche Effekte bewirken.
*) Gesamtsterblichkeit = alle Todesfälle, einschließlich der Unfälle, Selbstmorde und anderen nicht krankheitsbedingten Todesfälle. Die Gesamtsterblichkeit erlaubt also keinen Rückschluss auf eine krankheitsspezifische Sterberate.
1. Ganmaa, D, Sato, A (2005) The possible role of female sex hormones in milk from pregnant cows in the development of breast, ovarian and corpus uteri cancers. Med Hypotheses 65:1028-37
2. Kroenke, CH, Kwan, ML, Sweeney, C, Castillo, A, Caan, BJ (2013) High- and Low-Fat Dairy Intake, Recurrence, and Mortality After Breast Cancer Diagnosis. J Natl Cancer Inst 105:616-23
3. Qin, LQ, Xu, JY, Wang, PY, Ganmaa, D, Li, J, Wang, J, Kaneko, T, Hoshi, K, Shirai, T, Sato, A (2004) Low-fat milk promotes the development of 7,12-dimethylbenz(A)anthracene (DMBA)-induced mammary tumors in rats. Int J Cancer 110:491-6
4. Pape-Zambito, DA, Magliaro, AL, Kensinger, RS (2007) Concentrations of 17beta-estradiol in Holstein whole milk. J Dairy Sci 90:3308-13
5. Macrina, AL, Ott, TL, Roberts, RF, Kensinger, RS (2012) Estrone and estrone sulfate concentrations in milk and milk fractions. J Acad Nutr Diet 112:1088-93